Geister, die ich nicht rief

Geister, die ich nicht rief

 

 

Und wieder geht ein Tag zu Ende,

und die Abenddämmerung bricht herein,

ich spüre ein leises, banges Zagen,

wie wird die kommende Nacht heute sein?

 

Werde ich mich mit diesem übermächtigen

Gefühl der leisen Angst zur Ruhe begeben?

Oder steigt Panik und Verzweifelung in mir auf?

Werde ich meine Geister der vergangenen Nächte

wieder sehen?

Werden sie auch diese Nacht nicht

von meiner Seite weichen?

Was wollen sie mir mitteilen?

ICH BIN BEREIT!

 

 

Der erste Geist ist der Geist der Liebe.

 

Er vermittelt mir,

die Menschen, die wir lieben

  • so oft wir Gelegenheit haben -

  • zu sagen,

  • dass wir sie lieb haben,

  • denn es wird der Tag kommen,

  • an dem es zu spät ist.

 

 

Der zweite Geist ist der Geist des Glaubens.

 

Er steht am Ende des Bettes und schaut mich an.

Die Zweifel, die mich plagen,

lösen sich langsam, ganz langsam, auf,

und in mir eine Zuversicht entsteht,

die meinen Glauben bestärkt

und mir die Gewissheit gibt:

Ja, ich glaube.

 

 

Der dritte Geist ist der Geist der Hoffnung.

 

Er erscheint, wenn ich denke,

alles ist verloren,

aber er mir zeigen will,

einen Funken zu spüren,

obwohl alles dunkel erscheint.

 

 

Der vierte Geist ist der Geist des Trostes.

 

Er v ermittelt mir,

dass Trösten eine Kunst des Herzens ist.

Sie besteht oft nur darin,

zu schweigen und schweigend mitzuleiden,

denn ich weiss,

im Garten der Zeit

wächst die Blume des Trostes.

 

 

Der fünfte Geist ist der Geist des Schmerzes.

 

Er schaut mich durchdringend,

aber in einer so sanften Art an,

daß ich den Schmerz in mir fühlen kann,

und ich spüre,

daß mancher Schmerz so groß ist,

daß das Auge keine Tränen weinen kann,

sondern nur das Herz

still und leise Blut weint,

dann fühle ich mich so tot,

tief in mir drin,

und nur der Schmerz läßt mich wissen,

daß ich am leben bin.

Der sechste Geist ist der Geist der Traurigkeit.

 

Er steht gebeugt in seiner Ecke,

schaut mich mitleidig an.

Ich kann nicht sagen, was mich traurig macht

jede Nacht und jede Nacht.

Ich könnte vor Traurigkeit zerfließen,

sie reißt in mir Wände ein,

die mich umgeben haben, Tag und Nacht.

Gebe ich meinen Gefühlen freien Lauf,

erlösen sie mich mit Tränen

und ich fühle,

daß die Traurigkeit sich langsam auflöst,

wie Schatten im Nebel.

 

 

Der siebte Geist ist der Geist der Bitterkeit.

 

Der Geist der Bitterkeit

ist kein angenehmer Gesell,

er strahlt so eine Verdrossenheit aus,

die mich erschrecken läßt.

Ich habe gelernt,

Leid zu ertragen, Schmerz zu verbergen

und Tränen zu verdrängen,

was dann unwillkürlich in Bitterkeit endet.

Diesen Geschmack zu spüren,

und ihn nicht los zu werden,

belastet mein ganzes Inneres

und wühlt mich jedesmal auf.

Dafür hasse ich sie.

 

 

Der achte Geist ist der Geist der Verzweifelung.

 

Er bohrt sich tief in mein Herz

und nimmt mir die Luft zum atmen.

Erspähe ich einen Lichtblick,

und sei er noch so klein,

schleicht sich gleich die Verzweifelung ein,

und macht alles nieder,

was sich ihr in den Weg stellt.

Aber aus den Trümmern unserer Verzweifelung

bauen wir unseren Charakter.

 

 

Der neunte Geist ist der Geist der Hoffnungslosigkeit.

 

Wenn er erscheint, ist es absehbar,

dass alles Gute und Liebe in Scherben liegt,

aber lass die Hoffnung siegen, über deine Angst,

lass das Vertrauen siegen über die Ungewissheit,

und deine Liebe wird siegen über deine Zweifel,

denn wenn das eigene Leben

zu einem Alptraum wird, dann sollte man aufwachen.

 

 

Der zehnte Geist ist der Geist des Erbarmens.

 

Ich liege wach und denke daran,

alle Geister dieser denkwürdigen Nacht

zogen an mir vorüber,

klar, schemenhaft mit wehenden Gewändern.

Jeder Geist mir seine Aufwartung gemacht,

mein Inneres offenbart

und ich spüre nur ein grenzenloses Erbarmen.

Alles was ich vernommen hab und gesehn,

schnürte mir die Seele zu,

und ich verfiel in tiefen Depressionen

und mein Innerstes schrie:

Erbarmen, Erbarmen.

 

Diese Nacht war eine Höllenfahrt,

die ich nicht noch einmal erleben möchte.

Zustände, so wechselhaft,

zwischen Mittleid und Erbarmen,

so hoffe ich,

das es nur war,

DIESE EINE NACHT.

 

 

C.P. 22.6.2022


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